Gerald Naderer ist Künstler, wohnhaft in Wien
Dickicht, Dschungel und LeerstellenÜber die lebendigen Schablonenbilder des Malers und Musikers Gerald Naderer Gerald Naderers Malerei ist eine Melange verschiedenster Einflüsse. Der 1976 geborene, aus Eibiswald stammende Steirer kam über die Soziologie und Philosophie zur Malerei und absolvierte schließlich an der Universität für Angewandte Kunst in Wien die Meisterklasse für Malerei, Trickfilm und Tapisserie bei Christian Ludwig Attersee. Naderers Liebe zur Kunst äußert sich nicht zuletzt in kulturellem Aktivismus. Gemeinsam mit AtelierkollegInnen gründete er 2004 die „Quelle", ein Ateliergebäude in der Wiener Quellenstraße. Die Ateliergemeinschaft versteht sich als Plattform für Kunst und Kultur, als Schnittstelle für Kunst und Musik. In gemeinsamen Ausstellungen und Performances mit Naderers Band „Thalija" wird die „Quelle" zum Schauplatz zeitgenössischer Kunst und Musikproduktion. Gemeinsame Kunstprojekte werden auch außerhalb der eigenen Räumlichkeiten organisiert, zuletzt in der Ankerbrotfabrik im 10. Wiener Gemeindebezirk, welche von verschiedenen Künstlergruppen in einzelnen Abschnitten bespielt wurde. Der stark ortspezifische Zugang der fünf Quellemitglieder Nicole Miltner, Franziska Abgottspon, Benjamin Tomasi, Heimo Prünster und Gerald Naderer brachte hier eine spannende Idee: Sie beschlossen, ihren Teil der stark verdreckten Fabrikshalle, die als Ausstellungsfläche diente, vom Boden bis zur Decke penibel zu reinigen. Ein kollektives Understatement zum rauschenden Überfluss einer surrealen Kunstwelt. In seinen Einzelarbeiten verarbeitet Naderer die Fülle des Angebots. Von so vielen Einflüssen durchwachsen, schöpft Naderer hier aus dem Vollen. Seine Formengebilde erscheinen als organische Strukturen, die das polyphone Lebensgefühl der Stadt zu einem bunten Dschungel verweben. Mit Schablonen, die er immer und immer wieder übereinanderlegt, dreht und wendet, erzeugt er ein Dickicht vegetativer Muster. Naderers Formengebilde stehen dem Betrachter als undurchdringlicher Urwald gegenüber. Anklänge an Spielarten der Streetart machen sich in Gerald Naderers Arbeiten ebenso bemerkbar wie der Einfluss klassischer Landschaftsmalerei, sind doch beide wesentliche Stränge seiner Ausbildung. Trotzdem sind seine Landschaften keine Ausblicke im klassischen Sinn, sondern vielmehr die Darstellung eines verzweigten Unterholzes, eines dichten Buschwerks, einer verwirrenden Vielfalt des Details. In seinen frühen installativen Arbeiten scheint Naderer das Motiv der Fototapete ad absurdum zu führen. Als trashige Fortführung der barocken, innenarchitektonischen Tradition des Wandfreskos als Möglichkeit, die Natur mitunter in ihrer exotischsten Ausformung in den Raum zu holen, scheint sie der Ansatzpunkt für Naderers Installationen zu sein. Eine solche Installation zeigte Naderer erst im Mai 2009 im AKH Contemporary in Wien, ortspezifisch angefertigte Arbeiten waren von Juli bis Oktober in der vierteiligen Ausstellungsreihe „Tafel'bild" im Hansen in der Wiener Börse zu sehen. Dichte Verästelungen überwuchern die Wände, scheinen den Raum zu beschlagnahmen. Die Schablone verselbstständigt sich, der anarchische Gestus von Naderers Arbeiten verleiht dem Vorgefertigten, Mechanischen den Anschein des Lebendigen und zitiert so eine Grundthematik der klassischen Moderne: der Mensch in der Stadt. Die durch die Stadt veränderten Lebensverhältnisse, das Zunehmen der Anonymität schlugen sich in der Kunst des frühen 20. Jahrhunderts nieder. Das romantische Landschaftsbild, in dem sich die Seele des Betrachters widerspiegeln sollte, war längst überholt. Der Urmythos der Stadt als technologischer Urwald und als Sinnbild des unheimlichen Fremden war geboren und findet sich heute im Umgang der guerilla-ähnlichen Streetart mit der Stadt als Dschungel wieder. Die reproduktive Technik von Naderers Schablonen konterkariert die „Vorstellung eines Natürlichen" und spiegelt gleichzeitig die ästhetische Ausformung eines urbanen Lifestyles wider. Seine organischen, botanischen Formen spielen so mit einer medial gefilterten Ästhetik des Natürlichen. Das Schemenhafte des Begriffs „Natur" tritt als Ornament zutage. Die Form der komikhaften Künstlichkeit entspricht Naderers ironisierendem Umgang mit dem Thema der fremden Stadt. Sein knallbuntes Dickicht bleibt zwar flach und verwächst zu einer undurchdringlichen Oberfläche, verabschiedet aber gleichzeitig in farbenfroher Ausgelassenheit den Gedanken an das Unheimliche, das bei Naderer vielmehr zur erregenden Ungewissheit wird. Negativformen seiner Schablonen setzt er als Leerstellen ein, schreibt seinen Bildern so ein potenzielles Mehr ein. Diese intendierte Form der Vieldeutigkeit verstärkt Naderer zusätzlich durch die Ebene des Titels. Diese lassen sich verstehen als Anspielungen auf medial vermittelte Texte, seien es Werbeslogans oder Schlagzeilen, denen das Adjektiv „catchy" zuzuschreiben ist. Beiläufiges steht hier neben sozial Brisantem und bringt so einmal mehr die Polyphonie des städtischen Lebens zum Ausdruck. Gerald Naderers Arbeiten steuern gegen den Gestus der Selbstverständlichkeit an, sie sind geprägt von optimistischer Aufregung und machen neugierig auf mehr. Katharina Zimmer Oktober 2009
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Gerald Naderers installative MalereiEin Gewirr aus kahlen Ästen ragt ins Bild, Anfang und Ende lassen sich nicht immer ausmachen und manche scheinen zu schweben. Die Äste sind in bunten Farben wiedergegeben, Grüntöne dominieren, aber auch Gelb, Lila oder Blau. Es gibt kein Laub, das die Äste umschließt, was bleibt ist das Skelett der Bäume, die reine Form. Diese Bilder sind Teil von Gerald Naderers ortsspezifischer Installation An der Baumgrenze, die er 2006 in einem Lichthof der Universität für angewandte Kunst zeigte. Die vier großformatigen Leinwände wurden durch eine bühnenbildartige Situation im anschließenden Durchgang ergänzt: dieser war verstellt mit lebensgroßen Baumsilhouetten aus Sperrholz, die vom Boden bis zur Decke reichten. In ihren Formen und Anordnung fast seriell, wirkten sie wie Riegel, die den BetrachterInnen den Weg verstellten und ihn gleichzeitig zum Umherwandern einluden. Die Bilder auf Leinwänden hingegen eröffneten den Blick nach oben, durch die Zweige hindurch manchmal sogar bis zum blauen Himmel, von Wolken durchzogen. Der Abstraktionsgrad variierte von Leinwand zu Leinwand, manche waren auf reine Flächigkeit reduziert, besaßen kaum Struktur und waren durch harte Konturen definiert; andere waren stark tiefenperspektivisch und öffneten den Blick zum Himmel. Die Arbeit nahm direkt Bezug auf die räumliche Situation des Lichthofes: dem Künstler war es wichtig seine Ruhe, Leere und Abgeschlossenheit zu erhalten; die Idee einer Waldsituation bzw. einer Lichtung war nahe liegend. Gerald Naderer fasst seine Malerei als installativ auf, sie ist nie auf die reine Bildfläche reduziert. Er bespielt ganze Ausstellungsräume und legt sich dabei stets auf ein neues Thema fest. So hat er den Kunstraum Swingr in Wien in eine Tiefseelandschaft verwandelt: aus gefundenen Materialien, Kunststoff oder Pappmaché hat er Objekte konstruiert, die an entfernte Verwandte von diversen Meeresbewohnern erinnern. Die Lichtsituation war entsprechend: der abgedunkelte Raum wurde mit Schwarzlicht ausgeleuchtet, das die phosphoreszierenden Objekte erst sichtbar machte. Ein im Oberlicht angebrachtes Wasserbecken simulierte die Lichtbrechung unter Wasser. Ein zentraler Impuls für die Arbeiten des Künstlers ist, dass sich die BetrachterInnen in den Installationen bewegen können, dass sie so ganzheitlich wie möglich erfahrbar sind. Architektur spielt hierbei die zentrale Rolle, denn sie ist meist Garant für die räumliche Ausdehnung der Malerei und somit notweniges Vehikel für Gerald Naderers Malereibegriff, der die Definition „Kunst am Bau“ in wörtlichem Sinne auffasst und durchaus positiv belegt. Das Motivvokabular des Künstlers speist sich fast ausschließlich aus der Natur; meist sind es Bäume, Gebüsch oder auch Blumen. Er sieht sich „in einer Tradition der Landschaftsmalerei, die bei Cézanne ihren Anfang nahm, indem er nicht mehr so sehr die Natur wiedergab, sondern sich als ihr Konstrukteur betätigte. Ich schaffe eine nicht existente Landschaft, die jedoch eine sein könnte, die auch die Illusion einer solcher vermitteln soll.“ Eine andere einflussreiche Referenz sind japanische Farbholzschnitte; diese zeichnen sich durch das Fehlen von Licht und Schatten aus. Landschaften sind meist durch klare, flüssige Linien gezeichnet, die Farbigkeit ist flächig und Formen sind häufig stilisiert. Ziel der Darstellung ist nicht die naturgetreue Wiedergabe eines Sujets, sondern die Darstellung seines Wesens, seines Charakters. Der Künstler deutet lediglich an, das Bild selbst manifestiert sich erst durch die Vorstellungskraft der BetrachterInnen. Gerald Naderers Bilder sind Schwellenbilder, da sie “den Raum nutzen, die Wand sprengen – sie zum Fenster machen. Sie öffnen den Innenraum, werden zu Fenstern, die uns nach Außen blicken lassen.“ Im Falle seiner jüngsten Arbeiten hat er diesen Anspruch seiner Malerei bei die Präsentation in den Räumlichkeiten einer Bank buchstäblich umgesetzt. Die Bilder zeigen Gebüsch, in der für Naderer üblichen, sehr reduzierten und abstrahierten Form. Gehängt wurden die Leinwände an den Wandflächen zwischen den Fenstern des Ausstellungsraumes und bildeten so eine Tautologie mit diesen: reale Fenster, die den realen Blick auf die Welt preisgeben, stehen neben Fenster, die einen Ausblick geben auf die Welt, wie der Künstler sie sieht, in dem Bewusstsein, dass Bilder zwangsläufig scheitern müssen bei dem Versuch, die Welt bedeutungsvoll zu repräsentieren, aber sehr wohl fähig sind, sie uns in ihrer kontemplativen Schönheit näher zu bringen. Die Titel verweisen immer auf den Raum, der die Bilder beherbergt, so heißt eine der Leinwände Was will das Kapital und rekurriert auf den Ausstellungsraum einer Bank, ein anderes heißt Saatchi und spielt humorvoll auf den Wunsch des Künstlers nach einem zukünftigen Ausstellungsort an. Georgia Holz 2008 |